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Lughnasadh
Feste und Rituale im Laufe des Jahres und im Rhythmus der saisonalen Veränderungen finden sich in den unterschiedlichsten Traditionen. Die zeitgenössischen Hexen und modernen Wicca orientieren sich meist an acht verschiedenen Festen, wobei dies durchaus unterschiedlich gehandhabt werden kann. Zu den acht Festen gehören die vier Feste, die als dem keltischen Kalender entnommen gelten: Imbolc am 02. Februar, Beltane am 30. April, Lughnasadh am 01. August und Samhain am 31. Oktober. Dazu kommen die beiden Tag- und Nachtgleichen Ostara am 21. März und Mabon am 21. September sowie die Sommer- und die Wintersonnenwende Litha am 21. Juni und Yule am 21. Dezember.

Lughnasadh markiert den Beginn der Erntesaison, wenn der Sommer seinen Höhepunkt erreicht hat und die ersten Getreide und Früchte reif sind. Die Blüten des Sommers sind teilweise bereits verdorrt. Die Erntesaison dauert aber noch mehrere Wochen an und wird auch noch zu Mabon gefeiert.
Wie das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens zu berichten weiß, wird der Beginn der Ernte „zeitzauberisch“ bestimmt: an bestimmten Wochentagen oder Kalendertagen. Es können aber auch Abstimmungen durch die Gemeinde oder schlicht Anordnungen stattfinden. Im katholischen Festkalender fällt der Gedenktag Petri Kettenfeier auf den 1. August. Im zeitgenössischen Kontext der Jahreskreisfeste berechnen manche das Datum auch nach dem Mond (8. Vollmond nach Yule oder August-Vollmond).
Wie für jedes wichtige Fest im Laufe des Jahreskreises finden sich im Handwörterbuch zahlreiche Vorschriften zum Schutz vor Zauber und Hexen, aber auch Orakelhaftes und Bestärkendes. Der ersten Getreidegarbe wohnt besondere Kraft inne, wie das Handwörterbuch schildert – der gesamte Eintrag zur Ernte umfasst dort 25 Spalten, was ihre große Bedeutung für die Menschen unterstreicht.
ERNTEMONAT AUGUST
Die hochsommerliche Zeit des August ist unter verschiedenen Namen bekannt und als die Zeit des Erntebeginns besonders wichtig. Das Erntefest zu Beginn wird auch als Schnitterfest bezeichnet, wie der August manchmal als Schnittmonat benannt wird. Der August erhielt seinen Namen im 7. Jahrhundert nach dem römischen Kaiser Augustus, der in diesem Zeitraum die meisten seiner Siege errungen hatte. Der älteste deutsche Name, so das Handwörterbuch, sei „Erntemonat“ gewesen, ahd. Aranmânoth, wobei es sich auf Jacob Grimm bezieht. Dieser diskutierte in seinem Werk Deutsche Mythologie von 1835 die Bezeichnung im Zusammenhang mit einer, wie er meinte, mythologisch wichtigen Aufteilung des Jahres in zwei Hälften, Sommer und Winter. Die Bedeutung dieser Einteilung spielt teilweise im Kontext des Jahreskreisfest Litha eine Rolle.
Auch Kräuter werden im August gesammelt, bekannt ist dafür der Begriff Frauendreißiger. Das Handwörterbuch verweist auf die Römer, die am 13. August das Fest der jungfräulichen und mit Frauen und Geburt assoziierten Göttin Diana feierten, da, so das Handwörterbuch, die Sonne im August in das Zeichen der Jungfrau wechselt. Die Kirche habe das Fest in Mariä Himmelfahrt verwandelt. Und mit diesem Tag beginne „im deutschen Volksglauben“ der Frauendreißiger.
Das Handwörterbuch erwähnt neben anderen Vorstellungen aber auch, dass der 1. August (wie der 1. April und der 1. Dezember) ein Unglückstag sein soll. Der Teufel sei aus dem Himmel geworfen worden und an diesem Tag Geborene könnten Geister und Hexen sehen…

LUGHNASADH UND LAMMAS
Der Name Lughnasadh bezieht sich wahrscheinlich auf den irischen Gott Lugh, den Leuchtenden, berühmt für seine königlichen Führungsqualitäten und Meisterschaft in verschiedensten Kunstfertigkeiten. Die Festlichkeiten bezogen sich möglicherweise auf seine symbolische rituelle Heirat mit dem Land (Irland). Bedeutend war der Gott vor allem in Irland, aber auch auf den Britischen Inseln und auf dem französischen Festland. Seine Verehrung hat sich wahrscheinlich in irischen Heiligen gleichen Namens und auch St. Patrick erhalten.
Der ebenfalls oft benutzte christianisierte Name Lammas für das Fest Lughnasadh geht wohl zurück auf das englische „loaf mass“, wenn Brot, das aus dem ersten geernteten Getreide hergestellt wurde, in den kirchlichen christlichen Gemeinden des Mittelalters verteilt wurde.
Lughnasadh gilt als Teil der auch als Feuerfeste bezeichneten Feiern des keltischen Kalenders (1. Februar, 1. Mai, 1. August und 1. November). Der britische Begründer des modernen Wicca (der ehemalige Kolonialbeamte und auch Angehöriger verschiedener religiöser Zirkel wie bspw. eines druidischen Ordens) Gerald B. Gardner benannte Mitte der 1950er die Vorabende als die vier großen Feste der Hexen. Er ergänzte sie um Mittwinter und Mittsommer, während die Tag- und Nachtgleichen erst kurz darauf hinzugefügt wurden. Damit waren die acht Feste des Jahreskreiszyklus vollständig.

Gardner vermutete Lughnasadh als von Lughaid in Erinnerung an seine Ziehmutter Taillte gegründet und bezieht sich damit auf die Geschichten um Lugh. Gardner deutet an, dass sich hinter dem Fest die Verehrung einer weiblichen Gottheit verberge und festigte auch damit die Vorstellung eines Glaubens der Hexen an eine Göttin und einen Gott.
DAS FEST IM JAHRESKREISLAUF FEIERN
Für die meisten Wicca ist der Jahreskreislauf in Gott und Göttin und ihrer Beziehung symbolisiert. Für die Entwicklung des zeitgenössischen britischen (aber auch insgesamt, seit den 1950ern) Wicca war Doreen Valiente als zeitweise Hohepriesterin von Gerald B. Gardner maßgeblich mitverantwortlich für den Festkalender und die dazugehörigen Texte. Sie verweist auf die Annahme, dass sich die Jahreskreisfeste auf die Lebenszyklen beziehen, auch auf die des Gottes und der Göttin, die Bestandteil des Glaubens sind. Das Werden und Vergehen wird durch den Gott thematisiert, der nun stirbt und zur Wintersonnenwende neu geboren wird.
„These festivals, which go back to time immemorial, are part of the deep oneness with Nature that people of olden days experienced (…)“ schrieb Valiente 1973: die Feiern gingen auf kaum erinnerbare Zeiten zurück und seien Teil der tiefen Erfahrung einer Einheit mit der Natur, die die Menschen der alten Tage erlebt hätten.
Starhawk, die für die feministischen Wicca v.a. in den USA seit den 1970ern wichtig war und ist, schlägt vor, ein Brot in Gestalt des Gottes auf den Altar zu legen. Auch Korn- und Weizengarben können dabei sein – und es gibt weiteres Gebäck und Körbe mit Brotfiguren. Der Gott als Sonnen- und Kornkönig stirbt nun, denn die Tage werden wieder kürzer und das erste Getreide wird bereits geerntet.
Die Brotfiguren werden verteilt und stellvertretend für Ängste der Anwesenden schließlich ins Feuer geworfen. Das weitere Gebäck aber, z.B. in Form von Sternen, steht für die Hoffnungen und wird gemeinsam gegessen.

Starhawk lässt den Hohepriester, der in dieser Tradition zusammen mit der Hohepriesterin stellvertretend für Gott und Göttin steht, sagen:
Iß vom Leben, das ewig stirbt und wiedergeboren wird.“
Starhawk, 1992, Der Hexenkult…, S. 267
Nachlesen:
Shelley Rabinovitch und James Lewis (2002), The Encyclopedia of Modern Witchcraft and Neo-Paganism, New York, hier S. 228ff.
Elizabeth A. Gray (2005), „Lugh“, in: Lindsay Jones (Hg.): Encyclopedia of Religion, 2nd ed., Vol. 8, S. 5528f.
Doreen Valiente (1973), An ABC of Witchcraft Past & Present, London, hier S. 218.
„Ernte“ in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Berlin und Leipzig 1929/30, Bd. II, Sp. 939-963 sowie „August“ in: Ebd., 1927, Bd. I, Sp. 720-723.
Starhawk (1992), Der Hexenkult als Ur-Religion der Großen Göttin, Freiburg (engl. Orig. 1979), hier S. 265ff.
Jacob Grimm (1953/ Orig. 1835), Deutsche Mythologie, Graz, Bd. I, S. 35, Bd. II, S. 632.
Ronald Hutton (2008), Modern Pagan Festivals: A Study in the Nature of Tradition, in: Folklore 119:3, S. 251-273; DOI: 10.1080/00155870802352178.
Gerald B. Gardner (1954), Witchcraft Today, London, hier S. 130.