JAHRESKREISFEST LITHA: 20.06. – 23.06.

2022-06-21T00:01:00

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Litha

Feste und Rituale im Laufe des Jahres und im Rhythmus der saisonalen Veränderungen finden sich in den unterschiedlichsten Traditionen. Die zeitgenössischen Hexen und modernen Wicca orientieren sich meist an acht verschiedenen Festen, wobei dies durchaus unterschiedlich gehandhabt werden kann. Zu den acht Festen gehören die vier Feste, die als dem keltischen Kalender entnommen gelten: Imbolc am 02. Februar, Beltane am 30. April, Lughnasadh am 01. August und Samhain am 31. Oktober. Dazu kommen die beiden Tag- und Nachtgleichen Ostara am 21. März und Mabon am 21. September sowie die Sommer- und die Wintersonnenwende Litha am 21. Juni und Yule am 21. Dezember.

FEIERN ZUM LÄNGSTEN TAG DES JAHRES

Das Fest zum längsten Tag und der kürzesten Nacht des Jahres, mit ca. 17 Stunden Tageslicht am 21.06.2021, ist die Sommersonnenwende – und der offizielle Beginn des astronomischen und kalendarischen Sommers. Das bekannte Midsommar wird in den skandinavischen Ländern ausgiebig gefeiert, wird es doch in diesen nördlichen Ländern zu diesem Zeitpunkt kaum dunkel. Der dann übliche Tanz um einen Baum ähnelt den Tänzen um den Maibaum. Das Entzünden großer Feuer ist ebenfalls eine beliebte Tradition.

Die im Kontext der zeitgenössischen Jahreskreisfeste übliche Bezeichnung Litha ist eine Neuschöpfung aus den 1970ern von Aidan Kelly, der für die Weiterentwicklung von Wicca in den USA mitbestimmend ist. Kelly bezog sich dabei auf eine Bezeichnung für die Sommermonate aus dem Manuskript De Temporum Ratione des Mönchs Beda von 725. Ein eindeutiger Bezug zu historisch überlieferten Festkalendern lässt sich nicht feststellen, der Begriff wird erst in diesem neueren Kontext benutzt.

Auch das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, das zahlreiche Traditionen und Praktiken zu verschiedenen Feiertagen benennt, nutzt diesen Begriff nicht. Vielmehr verweist es auf die Tradition des Mittsommerfeuers am Vorabend des Johannistages für ganz Europa. Dabei sei es v.a. darum gegangen, die Luft zu reinigen und böse Geister zu verscheuchen. Auch von Läufen, bei denen brennende Besen und Fackeln sowie Rädern zum Einsatz kamen, weiß es zu berichten. Der ebenfalls bekannte Feuersprung könne zahlreiche Funktionen haben: Schutz, Reinigung von Sünden, aber auch, um Liebe zu festigen oder anzuziehen. Der Johannistag als Geburtstag von Johannes dem Täufer wird allerdings am 24.06. gefeiert. Die Berechnung ergibt sich aus dem Kirchenjahr (3 Monate nach Mariä Verkündigung). Er ist zeitlich und auch inhaltlich in den gefeierten Traditionen so nah an der Sommersonnenwende, dass viele dies als den Versuch der Überlagerung ‚heidnischer‘ Feste durch die christliche Kirche interpretiert haben. Johannes der Täufer ist der einzige Heilige, dessen Geburt und nicht dessen Todestag gefeiert wird.

FÜR ODER GEGEN HEXEN?

Eine weitere der im Handwörterbuch genannten Funktionen des Johannisfeuers ist der Schutz vor bzw. die Abwehr von Hexen. Dies ist bei fast allen Festen, die christlich gefeiert werden, ein wichtiger Aspekt. Zahlreiche lokale Praktiken dienen zu diesen besonderen Zeiten dem Schutz vor Übel wollenden Kräften. Wie auch die anderen Beiträge zu den Jahreskreisfesten immer wieder gezeigt haben, wandeln sich die eigentlich in den historischen Kontexten des Handwörterbuchs und seinen teilweise noch älteren Quellen als Abwehr beschriebenen Funktionen: In der Deutung von Festen und zahlreichen damit verbundenen Handlungen als vor- und nicht-christliche Traditionen findet auch durch verschiedene neo-paganen Gruppen und auch Hexen eine positiv verstandene Wieder- bzw. Neuaneignung statt.

Die Ausführungen in Zusammenhang mit Kräutern zeigen aber bereits innerhalb der unterschiedlichen im Handwörterbuchs beschriebenen Praxen auf, dass es darum geht, wer die Funktionsweisen von Praktiken bestimmt. Schützende Kräuter wurden oftmals in den Kirchen gesegnet. Zu Johannis Kräuter zu sammeln und sie symbolisch ins Feuer zu halten, daraus Kränze zu flechten u.v.m. hat im Verständnis des zeitgenössischen Kontextes des Handwörterbuchs (der 1920er/ 30er) und der dort genannten Quellen (aus verschiedenen Zeiten) eine Schutzfunktion vor Hexen und ihren besonderen Kräften. Häuser oder der Stall wurden damit zum Schutz vor Hexen, Teufel und Feuer behängt. Das funktionierte natürlich nur, weil diese Kräuter nun ihrerseits durch das Pflücken am christlichen Johannistag besonders heil- und zauberkräftig sein sollten…

Übrigens: Für den sogenannten Johannisstrauß wurden je nach Tradition beispielsweise 9 verschiedene Kräuter gesammelt. Wichtige Pflanzen waren dabei Johanniskraut und Frauenmantel.

WINTER GEGEN SOMMER?

Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens schließt sich aber auch den in seinem Entstehungskontext populären (und politisch wie methodisch problematischen) Vermutungen an, dass die Sonnenwenden im Juni und Dezember Teil der Feierlichkeiten eines zweigeteilten Jahres seien: Hier ließe sich ein ‚frühgermanischer‘ und damit vor-christlicher Kontext voraussetzen. Bräuche hätten sich erhalten, auch wenn die christlichen Feiertage St. Johannis und Weihnachten früh an ihre Stelle getreten seien. Traditionen wie das Entzünden eines Feuers, das Feuerspringen und Räderrollen von Bergen in die Täler seien noch bekannt. Die verschiedenen Gebräuche verwiesen auf Reinigungs-, Heilungs- und Fruchtbarkeitsriten.

Die Annahme eines zweigeteilten Jahres sowie eines Kampfes zwischen Sommer und Winter bezieht sich u.a. auf Ausführungen von Jacob Grimm: Dieser unternahm in seinem Werk Deutsche Mythologie den Versuch einer Rekonstruktion eines vermeintlichen vor-christlichen, teilweise ‚germanischen‘ Kultur- und Religionssystems. Aus heutiger Perspektive ebenfalls problematisch sind seine für die Rezeptionsgeschichte der frühneuzeitlichen vermeintlichen Hexen relevante Konzeption der Hexen als weise Frauen und Göttinnen in diesem Werk.

Grimm benennt die Sonnenwenden als „unsre beiden groſsen jahresfeste“. Unter Bezugnahme auf die Edda und einige etymologische Ableitungen entwickelt er die Annahme von zwei gegensätzlichen Wesen, die letztlich personifiziert Sommer und Winter sind. Die spätere Instrumentalisierung und Weiterentwicklung von derartigen Theorien und Konzeptionen in politischen und religiösen Umsetzungen im nationalsozialistischen Kontext soll hier ausdrücklich genannt werden. Dabei geht es sowohl um die Feierlichkeiten zur Sonnenwende wie auch die Umdeutung der Hexen für nationalsozialistische Identitätskonstruktionen. Eine angemessene kritische Darstellung dessen kann dieser Beitrag aber nicht leisten.

Jacob Grimm beschreibt den Charakter der Sonnenwenden als reinigende, da mit Opferungen verbundene Feuerfeste:

Die osterfeuer, maifeuer, sonnwendfeuer mit ihren mannigfachen gebräuchen, leiten auf heidnische opfer zurück, zumal ist das reiben der heiligen flamme, laufen durch brände, werfen von blumen in das feuer, backen und austheilen groſser brote oder kuchen, und der reihentanz zu erwähnen.

Jacob Grimm, Deutsche Mythologie, S. 35

Jacob Grimm benennt den Eintritt des Sommers als heilige Zeit, die durch Opfer, Feste und Tänze gefeiert worden sei, und er beschreibt lokale Traditionen, die er damit in Zusammenhang bringt. Üblich seien auch vielerorts rituelle Aufführungen des vermuteten Kampfes zwischen Winter und Sommer gewesen, wobei die Darstellenden in Laub und Blumen, Stroh und Moos gekleidet gewesen seien. Zahlreiche immer noch bekannte Traditionen der „volkssitte“ würden noch daran erinnern: In der hessischen Grafschaft Ziegenhain, so Grimm, sei ein Knabe mit Laub bedeckt worden, grüne Zweige seien ihm an den Leib gebunden worden. Andere Knaben hätten ihn als Bären an einem Seil tanzen lassen, während die Mädchen einen mit Blumen und Bändern verzierten Bügel getragen hätten.

Das Motiv menschlicher Stellvertreter der göttlichen Kräfte von Sommer und Winter wurde in Zusammenhang mit Fruchtbarkeit, Opfer und dem natürlichen Kreislauf von Werden und Vergehen gebracht. Es findet sich auch in der Vorstellung eines Kampfes zwischen Eichen- und Stechpalmkönig: Für die Jahreskreisfeste, wie sie von neo-paganen Gruppen, auch den neo-druidischen und Wicca gefeiert werden, ist dieses Motiv seit ca. 30 Jahren bekannt und populär geworden. Meist wird es mit Festen und Vorstellungen ‚der Kelten‘ in Verbindung gebracht. Es findet sich auf Alltagsgegenständen, Karten und kann gestaltender Teil von Ritualen sein.

Für die Faszination für diese Rituale, die sich auf die Vegetation, Fruchtbarkeit und Opferungen in symbolischer Form oder von Menschen oder Tieren beziehen, spielte der britische Ethnologe und Philologe James George Frazer als Quelle eine wichtige Rolle. In seinem Werk Der Goldene Zweig von 1890 (und weiteren Ausgaben) entwarf er eine umfangreiche religionshistorische Studie rund um seine These eines jährlichen Sakralkönig-Opfers. Frazer geht zwar auf die Sonnenwenden ein, verweist aber lediglich auf die Bedeutung der Eiche in religiösen Festen. Auch das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, dass in seinen Ausführungen die unterschiedlichsten Quellen zu Rate zieht, verweist in seinen Ausführungen zur Sonnenwende neben Grimm ebenfalls auf Frazer.

Entscheidender für das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte Motiv von Eichen- und Stechpalmkönig aber war der etwas später publizierende britische Schriftsteller Robert von Ranke-Graves. Er versuchte einen Mythos um eine Göttin in seinem Werk Die weiße Göttin von 1948 zu rekonstruieren. Hier beschrieb er eine Opferung des Eichenkönigs zum Johannistag in einem von ihm vermuteten ‚keltischen‘ Eichenmonat. Damit beginne dann, so Ranke-Graves, die zweite Jahreshälfte und der Stechpalmkönig gewinne. Aus historischen Quellen lässt sich dies so nicht belegen.

Es war dann das bekannte britische Wicca-Paar Janet und Stewart Farrar, welches diese Ausführungen von Ranke-Graves in ihre Jahreskreisfeste integrierte und Ritualvorschläge veröffentlichte. In ihrer Darstellung repräsentieren Eich- und Stechpalmkönig den Gott innerhalb der Dualität von Gott und Göttin. Diese Entwicklung zeigt einmal mehr die kreative Gestaltungskraft bei der Entwicklung zeitgenössischer Formen von Religiosität innerhalb von Wicca, Witchcraft, Hexen.

LITHA FEIERN

Starhawk, die seit den 1970ern wichtige Aktivistin für die feministische Tradition der Wicca in den USA, lässt in ihrem Ritualentwurf, der Gott und Göttin im Jahreszyklus ehrt, in der Mitte des Kreises ein Feuer entzünden. Gott und Göttin verschmelzen an diesem längsten Tag, bevor der Gott als Symbol des Lichts wieder abnimmt. In ihrem Ritualvorschlag enthält die aus Zweigen geflochtene Figur des Gottes einen Brotlaib, der während des Rituals ins Feuer geworfen und dann wieder herausgeholt wird: Dies steht für das kommende nährende Getreide. Das Rad des Jahres dreht sich weiter.

Rosen und weitere sommerliche Blumen liegen auf dem Altar. Dies kann z.B. in Form eines Kranzes sein, und alle die feiern, können sich ebenfalls mit Blumen schmücken.

Starhawk lässt die Hohepriesterin sagen:

„Die Sonne ist in uns!“

Alle: „Seht, wie wir leuchten!“

Starhawk, Der Hexenkult als Ur-Religion der Großen Göttin, S. 265

Nachlesen

Starhawk (1992), Der Hexenkult als Ur-Religion der Großen Göttin, Freiburg (engl. Orig. 1979), hier S. 263ff.

„Sommer und Winter“ in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Berlin und Leipzig 1936/37, Bd. VIII, Sp. 29f.; sowie „Sonnenwende“, ebd., Sp. 87f. Außerdem „Johannes der Täufer“, 1931/32, Bd. IV, Sp. 704-727; sowie „Johannisfeuer“, Sp. 733ff.

Jacob Grimm (1953/ Orig. 1835), Deutsche Mythologie, Graz, Bd. I, S. 35, Bd. II, S. 631ff. und 654f.

Reena Perschke (2015), Eichenkönig und Stechpalmkönig. Die Entstehung eines „keltischen“ Mythos im 20. Jahrhundert, in: Harm-Peer Zimmermann (Hg.), Lust am Mythos. Kulturwissenschaftliche Neuzugänge zu einem populären Phänomen, Marburg, S. 288-297.

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