„Alter, ursprünglichkeit und zusammenhang der deutschen und nordischen mythologie beruhen […] 6. auf der allmählich erfolgten verwandlung der Götter in teufel, der weisen frauen in hexen […].“
Jacob Grimm 1835 in seinem Werk über die Deutsche Mythologie
DIE GEBRÜDER GRIMM
Wilhelm und Jacob Grimm sind berühmt für ihre gesammelten Kinder- und Hausmärchen, die sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgaben. Und vor allem das Märchen Hänsel und Gretel hat das Bild der Hexe ganz wesentlich mitgeprägt. Die Kinder fressende Hexe ist weltberühmt – allerdings blieb es nur bei ihrem Vorhaben: Sie wurde von den Kindern überlistet und landet am Ende in ihrem eigenen Ofen! Die Hexe brennt.
Doch die Gebrüder Grimm waren auch als Professoren tätig, sie betrieben Sprachforschung und sammelten Geschichten, Märchen und Sagen, und zwar auch in Marburg. Jacob studierte hier Jura, allerdings ohne formalen Abschluss. Beide hielten sich Anfang des 19. Jahrhunderts in Marburg auf und sammelten bereits hier Material für ihre Märchensammlungen. Das später von den Brüdern begonnene und ebenfalls bekannte Deutsche Wörterbuch wurde so umfassend, dass es erst über hundert Jahre später beendet werden konnte.
Diese umfassenden Sammlungen waren sicher der bekannteste Teil ihrer Arbeit…
HEXEN UND WEISE FRAUEN
Weniger bekannt, aber bedeutend für die weitere Rezeption und Deutung der Hexenverfolgungen, ist ein Werk von Jacob Grimm aus dem Jahr 1835. Mit der Deutschen Mythologie veröffentlichte er den Versuch, aus unterschiedlichen Quellen wie Texten römischer Autoren oder sogenannten volkstümlichen Sagen, Märchen und Gebräuchen einen Zugang zu vor- und außer-christlichen deutschen religiösen Traditionen zu finden. Er schreibt in seiner Vorrede zur zweiten Auflage 1844 in Berlin:
„Genug also ist unserer mythologie unwiderbringlich entzogen; ich wende mich zu den quellen, die ihr verbleiben, und die teils geschriebene denkmäler sind, theils der nie stillstehende fluss lebendiger sitte und sage. jene können hoch hinauf reichen, zeigen sich aber bröckelhaft und abgerissen, während noch die heutige volkslieferung an faden hängt, wodurch sie zuletzt unmittelbar mit dem alterthum verknüpft wird.“
Das Zitat am Anfang dieses Beitrags entstammt der Einleitung von 1835. Es ging ihm auch um eine „(…) übersicht des gehalts und werths unserer mythologie (…)„. Das Zitat ist der sechste Teil von insgesamt acht, die benennen, worin sich die alte Mythologie noch zeigen könnte – so verweisen vermeintlich auch die Hexen auf etwas.
REZEPTIONSSTRÄNGE …
In dem Kapitel „zauber“ gibt es noch viel mehr über Hexen zu lesen. Diese seien ursprünglich weise Frauen, welche durch die christliche Kirche zu Hexen gemacht und verfolgt worden seien. Jacob Grimm verknüpfte sie als weise Frauen mit der Heilkunde und bindet sie in einen Bedeutungskontext um Göttinnen und verschiedenen ältere Gebräuche ein.
Mit dieser neuen Deutung im Zuge der deutschen Romantik und nationalistischer Bestrebungen ist auf einen wichtigen Rezeptionsstrang verwiesen, der problematische Abzweigungen nahm und durchaus immer noch Relevanz besitzt. Künftige Beiträge werden sich damit beschäftigen und auch die Deutungen von Jacob Grimm noch einmal genauer beschreiben.
Nachlesen: Jacob Grimm (1953), Deutsche Mythologie, Graz (3 Bd., Nachdruck der 4. Auflage 1857-78; Erstveröffentlichung 1835), hier Bd. 1, Einleitung S. 9f. sowie Vorrede S. IX.