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Samhain
„Das Ende des Jahres an Hallowen ist das Neujahr der Hexen. Und so enden wir am Anfang, wie es sein soll, und das Rad dreht sich weiter.“
Starhawk, Der Hexenkult.., S. 269

Feste und Rituale im Laufe des Jahres und im Rhythmus der saisonalen Veränderungen finden sich in den unterschiedlichsten Traditionen. Die zeitgenössischen Hexen und modernen Wicca orientieren sich meist an acht verschiedenen Festen, wobei dies durchaus unterschiedlich gehandhabt werden kann. Zu den acht Festen gehören die vier Feste, die als dem keltischen Kalender entnommen gelten: Imbolc am 02. Februar, Beltane am 30. April, Lughnasadh am 01. August und Samhain am 31. Oktober. Dazu kommen die beiden Tag- und Nachtgleichen Ostara am 21. März und Mabon am 21. September sowie die Sommer- und die Wintersonnenwende Litha am 21. Juni und Yule am 21. Dezember.
Besser bekannt als Halloween oder auch Hallowe’en, All Hallow’s Eve, wird Samhain von vielen als das Neujahr der (zeitgenössischen) Hexen bezeichnet.
Es ist einer der wichtigsten Feiertage, und wie Beltane zum Maianfang ist es eine Zeit, von der man sagt: Der Schleier zwischen den Welten ist dünn und die Verstorbenen und andere Geschöpfe sind unter den Lebenden…

VERSCHIEDENE FESTE
Das christliche Allerheiligen am 01. November gedenkt aller Heiligen der Kirche. Zu Beginn des 7. Jahrhunderst wurde das römische Pantheon der Jungfrau Maria und den Märtyrern geweiht, und die Gedenkfeier fand am Freitag nach Ostern statt. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts aber wurde die Feier auf den 01. November gelegt, und seit dem 10. Jahrhundert wurde dann mit Allerseelen am 02. November ein Feiertag etabliert, der der Verstorbenen gedachte. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts (aber regional unterschiedlich) wurde der 31.10. als Reformationstag ein Gedenktag für die Protestant*innen, die der Reformation der Kirche durch den berühmten 95 Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg gedenken.
Die Bezeichnung All Hallow’s Eve bezieht sich somit auf den Vorabend zu Allerheiligen. Die Bezeichnung Halloween ist daraus abgeleitet. Samhain (in Englisch ausgesprochen SOW-an) war vermutlich ein älteres keltisches Fest, das den Beginn des Winters markierte. Wahrscheinlich erst im 20. Jahrhundert wurde es mit den Festen zu Allerheiligen und Allerseelen assoziiert und erhielt seinen Platz im Jahreskreis mit den acht Festen.
ALLERLEI HILFREICHE PRAKTIKEN
Einige Praktiken aus christlichen und wahrscheinlich auch vor-und nicht-christlichen Kontexten haben sich erhalten, von denen wie so oft nicht ganz klar ist, wie alt sie tatsächlich sind. Verschiedene Nachschlagewerke geben mitunter verschiedene Hinweise. Klar aber ist: Für die Zeit um Allerseelen herum wird angenommen, dass die Verstorbenen bzw. ihre Seelen unter den Lebenden sind und ihre (begrabenen) Körper und Häuser aufsuchen. Wie immer verrät uns auch hier das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens so manch wichtige Dos & Don’ts, einige hilfreiche Praktiken rund um diese Zeit der Grenzüberschreitungen.
Zu Allerheiligen bereits wurden die Friedhöfe gereinigt, die Gräber geschmückt, Weihwasser versprengt und Speisen und Kerzen oder Lampen aufgestellt. Dabei kann das Licht sowohl die Funktion haben, die Seelen in ihre Körper zu locken wie aber auch, sie dadurch von den Lebenden fernzuhalten. Sie können als Lichter oder Vögel auf dem Friedhof schweben. Sie erscheinen auch als Nebel… allerdings können nur, so das Handwörterbuch, besonders ‚begnadete‘ Menschen sie sehen.

Auch zu Hause wurden Speisen für die Seelen bereit gestellt, und, je nach Region, gab es Vorschriften wie z.B. die, kein Messer mit der Schneide nach oben liegen zu lassen, da die Seelen darauf sitzen müssten. Lichter wurden auch hier aufgestellt. Die ganze Nacht wurde als voll von Spuk und Zauber gedacht und war daher gefährlich.
Die Armen erhielten Speisen. Sie zogen, ebenso wie die Kinder, von Haus zu Haus, sangen und erhielten Äpfel, Geld, aber auch Brot. Die Kinder wurden außerdem mit Süßem beschenkt.
Neben den christlichen Traditionen gab es weitere, wie z.B. der Blick in die Zukunft. Wohl vor allem in Großbritannien, aber auch auf dem europäischen Festland, wurden Lagerfeuer angezündet. Deshalb gehen einige Autor*innen auch davon aus, dass Samhain eines der sogenannten keltischen Feuerfeste war. Wollte man in die Zukunft sehen, warf man beispielsweise Nüsse ins Feuer. Und dann die gruseligen Kürbisse!
HALLOWEEN, KÜRBISSE & TRICK-OR-TREAT
Wie die Enzyclopedia of Witchcraft beschreibt, wurden in Europa zunächst Steckrüben genutzt, um daraus Lampen zu schnitzen und sie mit einer Kerze von innen zu erleuchten. In Amerika etablierte sich der mittlerweile geradezu omnipräsente Kürbis.

Die eingeschnitzten Gesichter sollen die aus der Anderswelt darstellen – oder vielleicht auch abschrecken. Sie werden auch Jack-o-lantern genannt, Jack mit der Laterne. Der Brauch soll auf die irischen und schottischen Einwanderer zurückgehen. Die Süßes-oder-Saures-Tricks der Kinder gehen vermutlich zurück auf die ältere Praktik, nach der verkleidete Erwachsene, karnevaleske Figuren, singend und mit Rätseln um etwas zu Essen bittend von Tür zu Tür gingen. Es wurden Kuchen für die Familien und ärmeren Nachbarn gebacken.
Allerdings – die uns nun vertraute Form des trick-or-treat von Halloween mit den von Haus zu Haus ziehenden verkleideten Kindern und der lautstarken Forderung nach Süßigkeiten (sonst würde einem ein Streich gespielt) etablierte sich in den USA erst noch einmal besonders in den 1930ern und dann nach dem 2. Weltkrieg. Halloween ist nun eine Art amerikanische Tradition, die aber längst auch bei uns in kommerzialisierter Form ein weiterer Anlass zum Feiern ist (vielleicht aber eher nicht in diesem Jahr…).
HEXEN & HÜTE
Zu Halloween gehört die Hexe in einer typischen Optik mit spitzem schwarzem Hut als wichtigstes Symbol, Dekorationselement und auch Verkleidung. Während der Besen, auf dem sie reitet, und die schwarze Katze tatsächlich bereits Teil der mit den sogenannten Hexen der Zeit der Hexenverfolgung assoziierten Praktiken waren, tauchte der Hut erst ab dem 18. Jahrhundert in Hexen eher lächerlich machenden Kontexten auf. Allerdings wurde im 17. Jahrhundert die britische angeklagte Hexe Anne Baker, aber auch ein zum selben Zeitpunkt erfolgreicher Hexenjäger, mit einer vergleichbaren Kopfbedeckung dargestellt, so die Encyclopedia of Witchcraft. Auch hier gibt es also eine nicht ganz eindeutige Quellenlage.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war diese Ikonographie der Hexe etabliert. In den USA wurde die Darstellung der auf dem Besen reitenden Hexe mit spitzen Hut ein beliebtes Motiv von Souvenirgegenständen – im Zusammenhang mit den Salem Witches seit dem Ende des 19. Jahrhunderts! Seit der Jahrhundertwende waren sie ein beliebtes Motiv auf Halloween-Postkarten.

Und auch in Deutschland ist sie Bestandteil von Souvenirartikeln vom Harzer Brocken, ein Ort, der seit den historischen Hexenverfolgungen als ein Versammlungsort von Hexen galt.
Die grauenhaften Anschuldigungen und Veurteilungen aus der Zeit der Hexenverfolgung verschwinden hinter der Hexe mit Besen, Hut und Katze als dekoratives Element eines säkularen Festes. Aber die Namen und Geschichten der zu Unrecht Beschuldigten und Verurteilten sind für Marburg zu einem großen Teil bekannt: Wir haben die bekannten Namen in dem Beitrag Opfer der Hexenverfolgung noch einmal gelistet. Sie sind nicht vergessen und erinnerbar.
SAMHAIN ALS FEIERTAG
Im Verständnis vieler zeitgenössischer Hexen, für die Samhain ein wichtiger Feiertag ist, ziehen sich der Gott und die Göttin gemäß des Jahreszyklus nun in die Unterwelt zurück. Die dunkle und karge Jahreszeit beginnt.
Starhawk, die seit den 1970ern wichtige Aktivistin für die feministische Tradition der Wicca in den USA, schlägt vor, zu Hause Kuchen und Wein mit einer Kerze für die Verstorbenen bereit zu stellen.
Den Altar solle man mit Herbstblättern schmücken – ein Apfel, Granatapfel und ein Kristall zum Hellsehen sollen sich ebenfalls darauf befinden. Der Granatapfel ist die symbolische Frucht für Leben und Tod, ähnlich dem Apfel, der aufgeschnitten den fünfteiligen Stern, das Pentagramm, erkennen lässt. Starhawk bezeichnet ihn als den ‚fünfzackigen Stern der Wiedergeburt‘.
Sie lässt in ihrem Ritualvorschlag für einen Coven mit Hohepriester und Hohepriesterin letztere am Ende in ihrer Funktion als Repräsentation der Göttin sagen:
„Denn mein Schoß ist das Gefäß der Wiedergeburt; in mir dreht sich ewig das Rad.“
Starhawk, Der Hexenkult…, S. 272
Nachlesen:
Starhawk (1992), Der Hexenkult als Ur-Religion der Großen Göttin, Freiburg (engl. Orig. 1979).
„Halloween“ und „Hat“ in, Enzyclopedia of Witchcraft. The Western Tradition, Hg. Richard M. Golden, Santa Barbara, 2006, S. 469ff. und 475f.
„Allerheiligen“ und „Allerseelen“ in, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Hg. Hanns Bächtold-Stäubli, Bd. I, Berlin 1927, S. 263-274.
Kürbis-Künstlerin: Maja M.
Wie schade, dass ich erst jetzt diese Webseite finde, wo das Marburger Themenjahr „Hexen“ schon fast rum ist und, was mich angeht, obwohl ich fast jeden Tag in Marburg bin und an der Uni arbeite, unter der Corona-Decke verschwunden ist…
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Liebe Johanna Sabine Klapper,
das Themenjahr wird noch ein bisschen weiter gehen – und auch wir werden im nächsten Jahr noch Beiträge schreiben.
Zum Thema in Hexen und Hexen in Marburg bleibt noch viel Spannendes zu berichten.
Mit Grüßen
das Blog-Team
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