„Eines der frauenfeindlichsten Bücher der Weltliteratur“

Von welchem Buch der Historiker Wolfgang Behringer hier redet? Dem Malleus Maleficarum – dem Hexenhammer.

1486 wurde das wohl bekannteste Werk der Hexenverfolgung veröffentlicht, der Malleus Maleficarum. Sein Autor war der Dominikaner Heinrich (Institioris) Kramer, ein glühender Verfechter der Hexenverfolgung.

In diesem Werk legt Kramer dar, was seiner Definition nach eine Hexe sei, wie man sich vor diesen schützen könne und wie man gerichtlich gegen diese vorgehen solle. (Dem Inhalt des Hexenhammers wird sich in Zukunft ein anderer Beitrag widmen.)

IN ALLEN BIBLIOTHEKEN DES LANDES VORHANDEN

Mitte des 15. Jahrhunderts lässt sich die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg verorten. Der Buchdruck stellte einen Wandel der Kommunikation dar, von dem Kramer und sein Hexenhammer nur vier Jahrzehnte später profitierten. Die Vorteile des Buchdruckes sind klar: mehr Exemplare können in kürzerer Zeit produziert werden.

Zwischen 1486 und 1523 wurden 13 Auflagen des Hexenhammers gedruckt. Laut Wolfgang Behringer entspricht dies circa 10.000 Exemplaren. Zunächst nur in Deutschland, doch 1512 wurde der Hexenhammer dann auch in Frankreich gedruckt. Zwischen 1574 und 1669 wurden weitere 16 Auflagen in Umlauf gebracht. Zwischen 1584 und 1669 erschienen allein in Frankreich acht Auflagen des Hexenhammers.

DOCH WIE STEHT ES MIT DEM FRAUENBILD IN DIESEM BERÜCHTIGTEN WERK?

Wie zu erwarten, nicht gut.

Der Historiker Wolfgang Behringer macht darauf aufmerksam, dass sich die Frauenfeindlichkeit schon im Titel findet – Malleus Maleficarum. Maleficae ist das Wort für den weiblichen Schadenszauber (der männliche ist malefici) – der Titel bezieht somit klar Stellung: Der Fokus liegt auf dem weiblichen Geschlecht. Doch das ist erst der Anfang.

Interessant ist auch Heinrich Kramers Herleitung des Begriffs femina (Frau). Laut Kramer setzt es sich aus zwei Wörtern zusammen: fides (Glaube) und minus (weniger). Die Frau hat dementsprechend weniger Glauben (als der Mann) und ist anfälliger für die Sünde. Kramer schreibt:

Schlecht also ist die Frau von Natur aus, da sie schneller am Glauben zweifelt, auch schneller den Glauben ableugnet. Das ist die Grundlage für die Hexen.

Kramer, S. 231

Ja, Kramer widmet der Frage der Anfälligkeit des weiblichen Geschlechts sogar ein eigenes Kapitel: „Warum sich in dem so schwachen Geschlecht der Frauen mehr Hexen finden als unter Männern.“ Gründe gibt es dafür nach Kramer viele, angefangen bei der Leichtgläubigkeit der Frauen oder ihrer Rachsucht (die sie in ‚Hexenwerken‘ auslebe, da sie nicht körperlich kräftig sei), intellektuell ist sie dem Mann natürlich auch unterlegen.

Die Historiker Behringer und Jerouschek merken dazu kritisch an, dass der Hexenhammer die Frau wie einen Defekt beschreibt:

Die Anthropologie der Frau deutete demzufolge auf eine größere Sündenanfälligkeit hin, ein angeborener Defekt quasi, unreparierbar, der die Frau zum natürlichen Einfallstor der Dämonen in die menschliche, männliche Gesellschaft werden läßt.

Behringer/Jeoruschek, S. 21

Für Kramer aber war es in seinem damaligen Weltbild nicht verwunderlich, dass die Welt „jetzt unter der Boshaftigkeit der Frauen leidet“ (Kramer, S. 235). Diese seien doch schon immer für die Zerstörung fast aller Reicher der Welt verantwortlich – beispielhaft nannte er Troja, welches durch Helenas Schuld zerstört worden sei.

„Sinnt eine Frau allein, dann sinnt sie auf Böses.“

Kramer S. 228

Diese Zuspitzung auf Frauen als Hexen Ende des 15. Jahrhunderts war nicht zwingend neu, jedoch wurde sie zum ersten Mal in dieser Form zusammengestellt. Dementsprechend kann Kramers Werk als sehr bedeutend für diese Entwicklung angesehen werden.

UND NOCH MEHR… „hexende Hebammen“

Aber auch etliche Zeit später sorgte dieses Werk noch für Aufsehen. Denn nicht nur die generell misogynen Ausfälle, auch die weitere Zuspitzung auf eine bestimmte Gruppe wurde relevant: die Hebammen. Sie standen im besonderen Fokus von Kramer, was später als Beleg für die vermutete besondere Verfolgung von Hebammen herangezogen wurde. Und es schien auch zu belegen, dass die Kenntnisse der Hebammen und ihr Einflußbereich gezielt vernichtet werden sollten.

In den Frauen*selbsthilfegruppen der 1970er knüpfte man empört und kritisch daran an – und befasste sich mit der Wieder-Aneignung von Wissen über den eigenen Körper und Gesundheitsfürsorge. Die Figur der Hexe steht eben auch in einem direkten Zusammenhang mit Vorstellungen über Körper, weibliche und angemessene Sexualität…

Auch dazu werden wir noch Kontroverses zu berichten wissen. Genauso wie zu den Fragen nach dem Einfluss des Hexenhammers oder was steht drin? Was veranlasste Kramer dazu, dieses Werk zu verfassen? Und wer war eigentlich Heinrich Kramer? Darauf werden künftige Beiträge noch eingehen.

Nachlesen:

Behringer, Wolfgang / Jerouschek, Günter (2011) „‘Das unheilvollste Buch der Weltliteratur‘? Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Malleus Maleficarum und den Anfängen der Hexenverfolgung“, in: Kramer (Institoris), Heinrich Der Hexenhammer: Malleus Maleficarum. Kommentierte Neuübersetzung (München: Deutscher Taschenbuchverlag), S. 9-98.

Kramer (Institoris), Heinrich (2011) Der Hexenhammer: Malleus Maleficarum. Kommentierte Neuübersetzung. Kommentiert und übersetzt von Wolfgang Behringer, Günter Jerouschek, und Werner Tschacher (München: Deutscher Taschenbuchverlag).

Segl, Peter (1988b) „Heinrich Institoris. Persönlichkeit und literarisches Werk“, in: Segl, Peter (Hrsg.) Der Hexenhammer. Entstehung und Umfeld des Malleus maleficarum von 1487 (Köln: Böhlau Verlag), S. 103-126.

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