„2 guld geben Enders Pfaffen vor 2 arckens holtzs, als man die Wirwettzen brante.“
Band 39 der Rentmeisterrechnungen, 1517
DIE WIRWETTZEN
Der Fall der sogenannten Wirwettzen ist der erste Fall einer Verbrennung wegen Zauberei in Marburg. Er fand im Jahre 1517 statt. Zumindest ist das der bisherige Kenntnisstand: Er ergibt sich aus dem indirekten Hinweis der Ausgabeposten aus den Rentmeisterrechnungen für das Schloss, also der landesherrlichen Finanzverwaltung. Aufgeführt ist hier das für die Verbrennung benötigte Holz und dessen Bezahlung. Gerichtsakten zu diesem Fall lassen sich nicht finden, weshalb nichts Genaueres zum Ablauf dieses Verfahrens gesagt werden kann. Verschriftlichungen der Fälle waren erst ab 1532 mit der Grundlage des Strafgesetzbuchs der Constitutio Criminalis Carolina üblich.
Die Wirwettzen saß bereits 1513 erstmals wegen des Zaubereiverdachts in Haft, wahrscheinlich ging es um Schadenzauber. Durch die Bürgschaft dreier Marburger*innen kam sie wieder frei. Aber aufgrund dieser Vorkommnisse ist davon auszugehen, dass ihr 1517 wegen erneuter Vorwürfe nun der Prozess gemacht wurde.
Aufgrund einer anderen Quelle, die einen Soldaten Wirwacz verzeichnet, gibt es die Vermutung, es könne sich bei der Wirwettzen um seine Frau gehandelt haben. Dementsprechend wäre sie bei ihrer Anklage und Verbrennung bereits 60 Jahre alt gewesen.
ZAUBEREI ALLEIN MACHT NOCH KEINE HEXE
Die Wirwettzen war mit dem Vorwurf der Zauberei belegt und damit, folgt man der Logik des neuzeitlichen Hexereideliktes, noch keine Hexe. Auch wenn der Begriff der Zauberei bzw. der Zauberin weiterhin ein üblicher zeitgenössischer Sprachgebrauch auch im Zusammenhang mit Hexerei blieb: In diesem Fall der Wirwettzen war lediglich von Schadenzauber die Rede.
Weitere Elemente des eigentlichen kumulativen Hexereideliktes wurden erst in einem Fall von 1523 erwähnt. Eine Frau aus Blankenstein wurde der Hexerei angeklagt und vermutlich in Marburg in Haft gesetzt. Der Vorwurf lautete hier nicht nur, dass sie ein Pferd getötet hätte, sondern auch, dass sie Gott verleugnet hätte, sich also mit dem Teufel verbündet hätte, sowie beim Abendmahl das heilige Sakrament missbraucht hätte.
Das sich entwickelnde kumulative Hexereidelikt beinhaltete seit dem 15. Jhd. nicht nur den auch vorher strafrechtlich relevanten Vorwurf des Schadenzauber, sondern darüber hinaus Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft (der Geschlechtsakt), Flug und Hexensabbat (Treffen an bestimmten Orten).
Über den weiteren Verlauf des Verfahrens der Frau aus Blankenstein ist nichts bekannt, außer dass ihre Kinder beim Statthalter um Gnade für ihre Mutter baten.
Im Fall der hochbetagten Catharina Staudinger geht es um lange zurückliegende Begegnungen, krankmachende Berührungen, Milchdiebstahl…
Der nur 15-jährige Heinrich Sanger bezichtigte sich 1631 selber: Er habe mit dem Teufel verkehrt!
Catharina Lips wurde zwischen 1671 und 1674 mehrfach in Marburg verhört und inhaftiert, bevor sie höchstwahrscheinlich getötet wurde.
Im Jahre 1664 ersuchte Hans Georg Fröhlich, dass seine Mutter aus mehrjähriger Haft mit Folter entlassen werden möge.
Die Anzahl der bekannten getöteten Opfer der Hexenverfolgung zwischen 1517 bis 1695 im Raum um Marburg beträgt mindestens 24.
Nachlesen:
Ronald Füssel (2020), Gefoltert, gestanden, zu Marburg verbrannt. Die Marburger Hexenprozesse, Marburg, hier S. 111f.
Mehr zum kumulativen Hexereidelikt in dem übersichtlich strukturierten Buch von Walter Rummel und Rita Voltmer (2012²), Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit, Darmstadt, z.B. S. 4f.