„… die Jungfer hab ihn gelehrt, wie ers machen solle“, gab Heinrich Sanger 1631 während seines Prozesses wegen Hexerei zu Protokoll. Die „Jungfer“ über die Heinrich redet, sei der Teufel gewesen, welcher ihn auf diese Weise verführt habe. Was steckt hinter dieser und weiterer Aussagen Heinrichs?
AUF DEN SPUREN HEINRICHS
Im Sommer 2019 haben sich Studierende der Rechts- und Geschichtswissenschaften der Universität Marburg auf die Spuren Heinrichs begeben. In einem interdisziplinären Projekt setzten sie sich mit den Marburger Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts auseinander. Besonderer Fokus lag auf dem Prozess des 15-jährigen Heinrich Sanger (oder auch „Hans Sang“, „H. Sangen“) aus Biedenkopf. Heinrich hatte sich im Mai 1631 selbst bezichtigt, einen Liebeszauber erlernt und ausgeführt zu haben, wie aus Akten des Peinlichen Prozesses hervorgeht.


Sanger behauptete, diesen Liebeszauber von einem Schneidersknecht erlernt zu haben, um seine Attraktivität bei den Mädchen zu erhöhen. Außerdem sei ihm des Nachts auch eine Jungfrau erschienen, mit der er Geschlechtsverkehr gehabt habe. Doch die Jungfrau stellte sich als Teufel höchstpersönlich heraus! Damit hatte sich Sanger der Teufelsbuhlschaft schuldig gemacht.
Des weiteren gab er zu Protokoll, er hätte auf Anweisung des Teufels das Abendmahl empfangen, dies dann aber auf den Kirchhof erbrochen und die Hostie zertreten. Dies stellte eine Schändung des Abendmahls dar.
DIE GUTACHTEN
Dass bei dem Fall Heinrich Sangers im Laufe des Prozesses sowohl theologische als auch juristische Gutachten der jeweiligen Fakultäten angefordert wurden, machte es für das interdisziplinäre Projekt umso spannender. Im interdisziplinären Projekt stellten die Student*innen fest: Die Marburger Theologen und Juristen im 17. Jahrhundert hatten ganz unterschiedliche Herangehensweisen an den Fall. Die Theologen brachten in ihrem Gutachten die offenkundige mentale Beeinträchtigung des Jungen („blöden Verstands“) in Anschlag und plädierten für eine intensive seelsorgerische Betreuung in häuslicher Fürsorge. Für die Juristen aber stand unzweifelhaft der Straftatbestand der Apostasie und Gotteslästerung im Mittelpunkt, welche mit dem Tode zu bestrafen sei. Am 30.07.1631 wurde das Urteil des Todes durch das Schwert und anschließende Verbrennung verkündet.
Nicht nur die Gutachten der Juristen und Theologen machen den Fall Heinrich Sangers besonders interessant, sondern auch, dass es sich bei diesem Fall um einen der wenigen männlichen Angeklagten im Marburger Raum handelt.
Das Projekt ist eine Kooperation der Geschichts- und Rechtswissenschaften und wurde von Prof. Dr. Inken Schmidt-Voges (Geschichte der Frühen Neuzeit) und Prof. Dr. Constantin Willems (Rechtsgeschichte) geleitet.
Im Januar 2021 sollen die Ergebnisse des Projekts auf der Tagung „Zauberei ist deß Teufels selbs eigen Werk“ – Hexenglaube und Hexenverfolgung im regionalen und interdisziplinären Vergleich“ im Hessischen Staatsarchiv Marburg genauer vorgestellt werden.
Mehr Infos können Sie auf der Seite des Projektes finden – HIER.