Am 22. September 2020 fand ein weiterer Bürger*innenvortrag des Marburger Themenjahres Andersartig. Hexen. Glaube. Verfolgung statt. Diesmal mit Elmar Brohl und Ursula Dorn, die sich mit den Inschriften von Gefängnisinsassen im Marburger Hexenturm befassten.
Zu Beginn gab Herr Brohl eine historisch-architektonische Einführung über den Marburger Hexenturm. Ganze drei Etagen umfasst der Turm – die erste und zweite waren den Zellen vorbehalten, die jeweils nur 5-10 m2 maßen. Auf diesem engen Raum hielten sich bis zu 6 Gefangene gleichzeitig auf (soweit aus erhaltenen Listen bekannt). Die dritte Etage diente dem Gefängniswärter als Wohnung.

Dieser Einführung folgte Ursula Dorns Vortrag über die Inschriften, die sich im Hexenturm finden lassen, wenn man ganz genau hinsieht. Viele der Inschriften sind über die Zeit verblasst oder wurden sogar durch Renovierungsarbeiten übermalt. Was sich noch finden lässt ist vielfältig – angefangen bei der Inschrift eines katholischen Inhaftierten, welcher die Heiligen anruft, über Naturdarstellungen (Ringeltauben, Blumen) um, so Ursula Dorn, „etwas Schönes zu schaffen.“
Auch finden sich in einer der Zellen hebräische Buchstaben, die unter anderem den Namen ‚Wolf‘ darstellen. Der Großteil der Inschriften lässt sich weder datieren, noch eine*n Autor*in identifizieren. Auch die Gründe der Inhaftierungen lassen sich nicht nachvollziehen.
Laut Ursula Dorn lassen sich aus einigen der Inschriften und Zeichnungen die Gefühlszustände der Inhaftierten ablesen – die Furcht vor dem Urteil und vor allem der Vollstreckung des Urteils, die verzweifelte Hoffnung, dass Gott und die Heiligen einem beistehen mögen.
Der nächste Bürger*innenvortrag findet am 20.10.2020 statt. Gaby Küppers wird im Cineplex einen Vortrag über „Hexendarstellungen in der Kunstgeschichte – Das Böse ist eine Frau“ halten.